Interview mit Julien Ceccon
Wie sah euer Programm im Frühling / Sommer aus, als lange nicht klar war, ob die Spiele ausgetragen werden können?
Das erste halbe Jahr im 2021 war sicherlich für alle eine schwierige Zeit. Fussballspieler leben für den Wettbewerb, sprich für die Spiele am Wochenende. Durch die Corona bedingte Meisterschaftsabsage trainierten wir in diesem Jahr rund 20 Wochen ohne ein einziges Spiel abzuhalten. Dies war für die ganze Mannschaft eine aussergewöhnliche Situation. Zu Beginn trainierten wir vier Mal in der Woche, dies änderten wir anschliessend und reduzierten auf drei Einheit pro Woche. Die Trainingspräsenz war grösstenteils gut. Da wir lange Zeit ohne Spielformen trainieren durften, legten wir den Trainingsfokus auf technische und plyometrische (Schnellkraft) Übungen. Wir waren stets bemüht, uns an die vorgegebenen Abstandsregeln zu halten - dies war für uns vom Trainerteam eine anspruchsvolle Angelegenheit, den Jungs einerseits qualitativ gute Trainingseinheiten anzubieten und andererseits den Spassfaktor nicht zu vernachlässigen. Als dann nach diesem langen fussballerischen Unterbruch endlich das erste Spiel terminiert war, freuten wir uns alle einfach nur darauf, uns wieder gegen andere Teams messen zu können. Grössere Bedenken hatte und habe ich jedoch betreffend allfälligen Verletzungen. So lassen sich Trainingseinheiten bezogen auf den Rhythmus und die Intensität (Dauer und Frequenz) gut kontrollieren. In einem Meisterschaftsspiel ist dies jedoch anders, da die Komponente Ehrgeiz und Wettkampfgedanke wie auch die vorgegebenen 2x45 Minuten dazukommen, dadurch sind die Bewegungsausführungen nicht kontrollierbar, was das Risiko von Verletzungen deutlich erhöht, da sich die Spieler diese Intensitäten nicht mehr gewohnt sind. Auch bezogen auf die kommende Meisterschaft ist für mich die Verletzungsprävention nach dieser langen Zeit ohne Ernstkämpfe ein wichtiger undstetiger Begleiter in der Planung der Trainingseinheiten.
Mit Ende der Saison haben mit Yanick Durrer, Pascal Hug und Christian Kummer drei Routiniers die 1. Mannschaft verlassen und wechseln in die 2. Mannschaft. Was ändert sich in personeller Hinsicht auf die neue Saison im Fanionteam?
Der Abgang dieser drei Spieler war für mich allen voran aus emotionaler Sicht eine spezielle Veränderung. So habe ich auch mehrere Jahre als Aktivspieler mit den Jungs zusammengespielt und durfte sie gegen Ende ihrer aktiven Zeit in der 1. Mannschaft als Trainer begleiten. Ein würdiger Abschied war demnach ein grosses Anliegen von mir und Sportchef Dan Gygax. Im Cupspiel zuhause gegen den FC Bosporus konnten alle drei nochmals von Beginn weg auflaufen und zeigten eine gute Leistung. Dies freute mich sehr. Ich wünsche an dieser Stelle den drei Jungs nochmals alles Gute und viel Erfolg in der 2. Mannschaft. Durch transparente Gespräche konnten wir uns auf diesen zweiten Umbruch (der erste Umbruch fand bereits vor zwei Jahren mit Weingart, Kummer und Glauser statt) bereits frühzeitig vorbereiten und würdige Nachfolger finden. Mit Christian Mattli (27, FC Roggwil), Mike Bauer (22, FC Langnau), Fetj Ajeti (32, KF Shqiponja), Veton Maksuti (19, KF Shqiponja) und Mattia Alvarez (17, Nachwuchs FC Solothurn) werden uns fünf Neuzugänge verstärken. Mit Mattli, Bauer und Ajeti stossen Spieler zu uns, welche in ihren Teams zu den Leistungsträgern gehört haben. Dies wird unserem jungen Team guttun. Auch Maksuti und Alvarez können Spieler sein, welche unser Team auf Anhieb besser machen werden, jedoch werden diese Jungs in ihrer Entwicklung höchstwahrscheinlich noch etwas Zeit benötigen.
Mittlerweile ist die Gruppe der 1. Mannschaft bekannt. Wie stufst du die Gruppe 3 mit neuen Mannschaften wie Wyler, Makedonija und Grafenried ein?
Die neu zusammengesetzte Gruppe schätze ich als anspruchsvoll ein. Rein bezogen auf die vergangene Saison treffen wir auf zwei Mannschaften (FC Grafenried - Rang 2, FC Schönbühl - Rang 3), welche um den Aufstieg in die 2. Liga mitgespielt hatten. Der FC Wyler (Rang 5) und FC Makedonija (Rang 7) positionierten sich am Ende der vergangenen Saison im Tabellenmittelfeld. Zudem stossen mit dem FC Bützberg und dem FC Bern b zwei Aufsteiger in unsere Gruppe. Eine Einschätzung der Mannschaften ist zum momentanen Zeitpunkt schwierig, da ich bisher nur wenige Spiele der Teams gesehen habe. Ich persönlich freue mich sehr auf die neuen Gegner.
Auch als Trainer kann man fachlich nicht stehen bleiben. Womit beschäftigst du dich persönlich zurzeit intensiv im Thema Fussball?
Ein Thema, mit welchem ich mich seit mehreren Monaten beschäftige, ist die bewusste Entwicklung der Winner-Mentalität und wie sehr man diese bei Spielern beeinflussen kann. Zudem habe ich mich in letzter Zeit mittels Fachliteratur mit dem Spiel im letzten Drittel auseinandergesetzt. Dies wird ein wichtiger Schwerpunkt sein, welcher wir in dieser Saison verbessern wollen. Momentan treffen wir in unserem Spiel noch zu oft überhastete Entscheidungen im Angriffsdrittel. Ein weiterer Themenschwerpunkt, welcher mich fasziniert und welchem ich durch Gespräche und bewusstes Nachdenken nachgehe, ist, welche Spielertypen in unserem Kader am geeignetsten sind, um Synergien zu bilden. Dies ist meiner Ansicht nach ein wichtiger Erfolgsbaustein, um Spiele gewinnen zu können und um einen Flow-Zustand herzustellen. Die allgemeine Balance im Spiel ist aus meiner Sicht einer der wichtigsten Bauteile, um am Ende einer Saison auf dem ersten Platz zu stehen. Wenn man Spitzenteams wie Bayern, Manchester City, Liverpool oder Chelsea analysiert, fällt immer auf, dass diese Teams eine ausgewogene Balance von Individualisten und taktischen Planspielern in ihren Reihen haben. Demnach interessiert mich zurzeit diese Thematik der Synergiebildung bezogen auf den Erfolg am meisten.
Du trainierst bekanntlich auch die Frauen der U-19. Wie sieht deine Trainerfunktion im Nachwuchsteam aus? In welchen Gebieten bringst du dich ein?
Bei den YB-Frauen U19 liegt mein Aufgabenbereich hauptsächlich in der individuellen Entwicklung der Spielerinnen. So absolviere ich dort ein bis zweimal in der Woche eine Trainingseinheit ausschliesslich im Bereich der Entwicklung technischer Fertigkeiten. Die Förderung und Entwicklung in diesem Bereich bereitet mir nebst meiner Trainertätigkeit beim FC Herzogenbuchsee grosse Freude. Dieser Ausgleich zwischen Haupttrainer FCH und Techniktrainer bei den YB-Frauen füllt mich zurzeit maximal aus.
Wie kann man sich den Fussballalltag in einem so grossen Verein wie YB vorstellen, wenn man plötzlich Teil des Staffsist und zur Gelb-Schwarzen Familie gehört? Wie ist es untereinander im Verein?
Es ist natürlich zweifelsohne ein tolles Gefühl, seiner Tätigkeit im zurzeit attraktivsten Schweizer Verein nachgehen zu können. Bezogen auf den Umgang untereinander habe ich bis jetzt nur positive Erfahrungen gemacht. Ein Bereich, welcher mich zusätzlich stark interessiert, ist der Nachwuchs bei den Jungs. Dort konnte ich bereits Einblicke in Trainings verschiedenster U-Mannschaften erhalten und hatte beispielsweise die Möglichkeit, bei einem Spiel der U16 zu hospitieren. Diese Erfahrungswerte schätze ich sehr und bringen mich in meiner Entwicklung als Trainer weiter.
Zurück zu Buchsi: Du warst letzte Woche mit der 1. Mannschaft in Bern und hast dort mit dem Team diverse Leistungstests absolviert. Was wurde alles getestet?
Es war das erste Mal, dass wir uns diesen Leistungstests unterzogen haben. Bei diesen Tests geht es um den allgemeinen Bereich der Schnellkraft. So mussten die Spieler neun verschiedene Übungen absolvieren wie beispielsweise 10m Sprint, 40m Sprint, Stop and go 20m oder Tapping (Frequenz an Bodenberührungen in kurzer Zeit). Einerseits sind diese Auswertungen für die Spieler interessant, da sie aufzeigen, in welchem Bereich sie gut sind und in welchem sie sich verbessern sollten. Demnach können sie durch die gewonnenen Erkenntnisse einen bewussten Fokus auf allfällige Defizite legen, um diese bei der nächsten Testung zu verbessern. Andererseits ist es für uns im Trainerstab ein guter Ansatz, um unsere Trainingsmethoden zu überprüfen und durch die Zahlen Einblicke und Vergleichswerte zu Spielern aus höheren Ligen zu erhalten.
Welche Spieler stachen bei der Athletiktests speziell hervor?
Da noch nicht alle Spieler die Leistungstests durchgeführt haben und ich demnach noch keine Einsicht in die Daten erhalten habe, ist diese Einschätzung zum jetzigen Zeitpunkt eher schwierig zu bewerten.
Was erwartest du dir für die kommende Saison 2020/2021von der 1. Mannschaft?
Ich erwarte von meinen Jungs, dass jeder einzelne Spieler unsere Leistungsziele priorisiert und alles daran setzt, damit wir am Saisonende den Gruppensieg und somit den Aufstieg in die 2. Liga realisieren können. Um die Saison erfolgreich starten zu können, wird es von entscheidender Bedeutung sein, dass die Mehrheit unserer Kaderspieler einsetzbar sind und stabil aus ihren Verletzungen zurückkommen. Dies ist zurzeit noch nicht der Fall. Die momentane Situation in unserem Kader sieht wie folgt aus: 10 Spieler sind mittel- oder langfristig verletzt, 4 Spieler mit Trainingsrückstand und 10 Spieler befinden sich im fitten Zustand. Die Breite in unserem Kader wird wichtig sein, demnach ist es unabdingbar, dass der eine oder andere Spieler bis zum Saisonstart wieder einsetzbar ist. Der Start in die Saison 2020/21 wird von entscheidender Wichtigkeit sein, um von Beginn weg den nötigen Rhythmus zu finden. Die ganze Mannschaft wie auch wir von Trainerstab freuen uns riesig auf die neue Spielzeit und sind stets maximal bestrebt, den Buchsi-Supporter attraktive und erfolgreiche Spiele zu bieten. Hopp Buchsi!
Samuel Grieder